Musterbriefe

154 MUSTERBRIEFE FÜR BAUFÜHRER

Baustellenschriftverkehr - Wer schreibt wann was wem und wie?

1. Prüfen des eigenen Vertrages

WER?

Als Erstes sollte vor jeglicher Bautätigkeit durch den Bauführer geklärt werden, ob der Vertrag dem Unternehmer Anzeigepflichten oder andere Aufgaben überträgt, die auch über die Pflichten der Norm SIA 118 hinausgehen können. Man sollte weiterhin darauf achten, ob die Zustellung von Anzeigen und Mitteilungen in bestimmter Form, in bestimmten Fristen und an bestimmte Adressaten zu erfolgen hat.

Tipp: Legen Sie sich eine Liste an, auf der die vertraglich geforderten Schreiben mit den besonderen Voraussetzungen aufgeführt werden. Notieren Sie sich den entsprechenden Musterbrief und passen Sie diesen gegebenenfalls an.

2. Anlass zum Schreiben

WANN?

Grundsätzlich muss ein Schreiben verfasst werden, wenn der Vertrag es vorschreibt. Dies dient der Information des Bauherren. Häufig ist ein Telefonat oder eine mündliche Mitteilung an die Bauleitung schneller erledigt. Es fehlt dann aber an der erforderlichen Dokumentation und dem Schreiben als Voraussetzung möglicher, späterer Ansprüche.

Auch ein Schreiben oder eine Mitteilung der Bauleitung, sowie eine mündliche Abrede können ein Anlass für ein Antwortschreiben sein. Die spontane Antwort ist oft emotional. Man sollte sich also die erforderliche Zeit für eine Antwort nehmen und nur die notwendigen Inhalte in ein Schreiben aufnehmen. Mündliche Abreden sind schriftlich zu bestätigen, damit deren Inhalt dokumentiert ist.

3. Inhalte eines Schreibens

WAS?

Schreiben sollten grundsätzlich nur einen Sachverhalt zum Inhalt haben. Wenn wegen mehrerer Sachverhalte Schreiben notwendig sind, fasst man dies in jeweils einzelnen Briefen ab. Das erleichtert die Ablage und die spätere Vorlage von Schreiben.

In dem Schreiben ist aufzuführen, welchen Sachverhalt es betrifft und auf welche vorherigen Schriftstücke oder Ereignisse es Bezug nimmt. Die Wiederholung von Sachverhalt oder Argumenten ist daher überflüssig. Der Inhalt des Schreibens ist so zu formulieren, dass er Dritten, die mit der Angelegenheit nicht vertraut sind, klar wird. Sachlichkeit ist oberstes Gebot, Schuldzuweisungen und Vorwürfe nicht erforderlich. Der Brief muss am Ende klar die Ziele des Verfassers mitteilen. Dies kann eine Anzeige von Umständen sein, eine Mitteilung von Mehrkosten, die Aufforderung zu Mitwirkungspflichten mit Frist usw.

4. Adressat des Schreibens

WEM?

Jegliches Schreiben ist grundsätzlich an den Vertragspartner zu versenden. Wenn der Vertragspartner einen Vertreter benannt hat, dessen Vollmacht den Empfang von Schreiben vorsieht, kann auch an den Vertreter adressiert werden.

Vorausgesetzt, dass in der Werkvertragsurkunde die Kompetenz der Bauleitung nicht beschränkt wird, ist diese gemäss Art. 33 Abs. 2 Norm SIA 118 befugt Willensäusserungen des Unternehmers rechtsverbindlich entgegenzunehmen. Es würde damit eigentlich genügen, alle Anzeigen, Abmahnungen und Informationen nur an die vom Bauherrn namentlich benannte Bauleitung zu richten. Trotzdem ist es empfehlenswert, sich vom Bauherrn schriftlich bestätigen zu lassen, ob und allenfalls welche Mitteilungen im Original oder als Kopie an ihn zu richten sind.

Für den Subunternehmer ist der Vertragspartner der Generalunternehmer. Daher ist in diesen Vertragsverhältnissen der Schriftverkehr an den Generalunternehmer als Auftraggeber zu versenden.

5. Versand des Schreibens

WIE?

Ob Informationen in einem Brief, als eingeschriebener Brief, Fax, E-Mail oder in einem Protokoll festgehalten werden ist zweitrangig. Entscheidend ist, dass bewiesen werden kann, dass die Information den Empfänger erreicht hat. Man kann die Musterbriefe daher auch ohne weiteres per E-Mail versenden, als pdf-Datei in einem Anhang, oder direkt als E-Mail.

Um sicher zu sein, dass der Empfänger ein Schreiben erhalten hat, gibt es andere Möglichkeiten als einen eingeschriebenen Brief. Möglich sind beispielsweise ein Vorabzug per Fax und anschliessend die normale Post, oder sich per E-Mail den Empfang bestätigen zu lassen. Eine sehr gute Möglichkeit ist es, dem Empfänger eine Frage zu stellen oder um Instruktionen zu bitten. Er muss dann reagieren, falls er schweigt, kann immer noch nachgefragt werden.

Über die Autoren

Jörg Bucher, dipl. Baumeister. Hat sich nach einer Lehre als Maurer zum Bauführer und Baumeister weitergebildet. Nach 28 Jahren Berufserfahrung in Kaderfunktionen in einer Bauunternehmung seit 1999 selbstständig erwerbend. Referent an der Bauschule Aarau (1979 – 1991) und im SBV-Ausbildungszentrum in Sursee (1981 -2014).

Dr.-Ing. Helmuth Duve, Dipl. -Ing. TH, Rechtsanwalt, Lehrbeauftragter für Bau- und Vergaberecht an der Fachhochschule Trier, Gastdozent an der TU Graz, Referent im SBV-Ausbildungszentrum in Sursee bis 2014, war als Justitiar und als abteilungsleitender Prokurist in einem internationalen Bauunternehmen tätig.

Die beiden Autoren gründeten 2012 in Bern die profacto.ch GmbH, ein Ingenieurbüro für Baubetrieb. Die profacto.ch berät, unterstützt und schult* Auftragnehmer der Bauwirtschaft in Fragen des Baubetriebs. Die profacto.ch ist, nach Stuttgart (D) und Graz (A), der dritte Standort der profacto-Gruppe.

*) angeboten wird auch ein Seminar mit vielen Praxisbeispielen zum Einsatz der Musterbriefe.